Online*-Lesezirkel am 27. September 2022, 18:30 Uhr

Lesezirkel-online*-Treffen am Dienstag, 27. Sep. 2022, 18:30 Uhr

Diskussion von Abdulrazak Gurnah (Zanzibar/UK):
By the Sea, 2001 / Ferne Gestade, 2002/2022

 

Abdulrazak Gurnah
Abdulrazak Gurnah wurde 1948 in Zanzibar City, Sultanat Zanzibar, geboren. Seine Erstsprache war Kiswahili, und er besuchte in seiner Geburtsstadt vom englischen Kolonialsystem geprägte Schulen. Als Achtzehnjähriger flüchtete er vor der im Gefolge der zanzibarischen Revolution von 1964 entfesselten Verfolgung der dortigen arabisch-stämmigen Minderheit. Er lebt seit 1968 in England, wo er studierte und über Literaturkritik westafrikanischer Romane dissertierte.
Neben seiner akademischen Laufbahn ─ bis zu seiner Emeritierung 2017 von der University of Kent, Canterbury, war er Professor für Englisch und Postkoloniale Literaturen ─ schrieb Gurnah seit den 1980er-Jahren Kurzgeschichten und Romane.
Von seinen zehn auf Englisch geschriebenen Romanen wurden fünf zwischen 1996 und 2006 ins Deutsche übersetzt, waren in letzter Zeit aber vergriffen. Jetzt werden diese Übersetzungen neu aufgelegt, zuerst Das verlorene Paradies, jüngst Ferne Gestade. Eine deutsche Übersetzung seines letzten Romans Afterlives wird demnächst veröffentlicht und wohl in den nächsten Monaten im SADOCC-Lesezirkel diskutiert werden. Abdulrazak Gurnah erhielt 2021 den Nobelpreis für Literatur

  • Memory of Departure, 1987
  • Pilgrims Way, 1988 – deutsch: Schwarz auf Weiß. Übersetzt von Thomas Brückner, 2004
  • Dottie, 1990
  • Paradise, 1994 – deutsch: Das verlorene Paradies. Übersetzt von Inge Leipold, 1996, durchgesehene Neuauflage 2021
  • Admiring Silence, 1996 – deutsch: Donnernde Stille. Übersetzt von Helmuth A. Niederle. 2000
  • By the Sea, 2001 – deutsch: Ferne Gestade. Übersetzt von Thomas Brückner, 2002/2022
  • Desertion, 2006 – deutsch: Die Abtrünnigen. Übersetzt von Stefanie Schaffer-de Vries, 2006
  • The Last Gift, 2011
  • Gravel Heart, 2017
  • Afterlives, 2020 – deutsch: Nachleben. Übersetzt von Eva Bonné, 14. Sep. 2022

By the Sea / Ferne Gestade
Hier die Rezension von Kirkus Reviews, deren Inhaltsangabe allerdings dazu führen könnte, dass die Lektüre dieses Romans weniger spannend empfunden wird:
Ein beeindruckend ruhiges Buch, das wichtige Themen mit Intelligenz und Einfühlungsvermögen anspricht.
Der ostafrikanische Romanautor Gurnah (Paradise, 1994 – bereits im März 2022 im SADOCC-Afrika-Lesezirkel diskutiert. Anm. LR-F) verwebt auf brillante Weise Themen wie Entfremdung, Verrat und Verzweiflung in einer Geschichte über zwei politische Exilanten, die in einer tristen englischen Küstenstadt endlich Vergebung und Verständnis finden.
Als der alternde Saleh Omar aus Zanzibar als Asylwerber in England ankommt, behauptet er, kein Englisch zu sprechen. Er nennt sich auch Rajab Shaaban, ein Name, den er sich aus Gründen, die bald klar werden, zugelegt hat. Während Omar sich in einer kleinen Wohnung einrichtet, die ihm von den Einwanderungsbehörden zur Verfügung gestellt wird, verbringt er seine Tage damit, die örtlichen Möbelhäuser zu besuchen und sich an die Vergangenheit zu erinnern. Er erinnert sich an das florierende Möbelgeschäft, das er leitete, und an den Kredit, den er für Hussein, einen Seehändler aus Bahrain, besorgte und der ihm und dem anderen Protagonisten der Geschichte so viele Schwierigkeiten bereiten sollte.
In der Zwischenzeit blickt der ebenfalls aus Zanzibar stammende Dichter und Professor Latif Mahmud, der von den Behörden darauf aufmerksam gemacht wurde, dass ein anderer Zanzibarer vielleicht Übersetzungshilfe benötigen könnte, auf seine eigene Vergangenheit zurück. Als die Ordnung in Zanzibar nach der Unabhängigkeit von Großbritannien zusammenbrach, nahm Latif ein Stipendium an, um in der ehemaligen DDR zu studieren, und floh bald darauf nach Großbritannien. Er macht Omar immer noch für den Niedergang seiner Familie verantwortlich: Seine Mutter ließ sich mit Liebhabern ein, sein Vater wurde zum Alkoholiker, und das Haus wurde beschlagnahmt.
Als sich die beiden Männer schließlich wiedersehen, beschuldigt der verbitterte Latif seinen Landsmann Omar nicht nur, den Namen seines Vaters, Rajab Shabaan, gestohlen zu haben, sondern auch seinen Besitz.
Omar erzählt daraufhin, wie er den Shabaan-Besitz ehrenhaft geerbt hatte und ihn dann wieder verlor; wie er in den politischen Wirren von Latifs Familie unter falschen Anschuldigungen inhaftiert wurde; wie er zu spät vom Tod seiner Frau und seines einzigen Kindes erfuhr; und wie es ihm gelang, weiterer Verfolgung zu entgehen, indem er unter falschem Namen floh.
Mit diesen bekenntnishaften Berichten kommen beide Männer zu einem befriedigenden Schluss, und die Möglichkeit eines zukünftig erfüllteren Lebens wird angedeutet.
Ein beeindruckend ruhiges Buch, das wichtige Themen mit Intelligenz und Einfühlungsvermögen anspricht.“
Rezension in Kirkus Reviews
(Übersetzt von DeepL und LR-F)

Neue Teilnehmende sind uns willkommen. Anmeldung erbeten bei Lotte Rieder-Fraunlob, von der Sie den Link zum Online-Treffen erhalten.

* Eventuell treffen wir uns auch real, die Diskussion wird dann hybrid geführt; die Adresse erhalten Sie auch hier.