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Bericht und Impressionen von der Auftaktkonferenz am 28. März 2022
Auftakt: Das Projekt „Begegnung Südliches Afrika“ ist gestartet!
Arbeit global denken – aber wie? Mit dieser Frage startete das Projekt offiziell am 28. März 2022. SADOCC und die Gewerkschaft GPA luden im großen Saal der GPA in Wien dazu ein und rund 60 Interessierte folgten dem Aufruf vor Ort und digital.
Internationale Zusammenarbeit ist die Grundlage von Arbeitskämpfen und Entwicklung
Manuel Stolz von der Abteilung EU und Internationales der GPA eröffnete die Konferenz und hob die Relevanz des Über-den-Tellerrand-Schauens hervor: „Aus gewerkschaftlicher Sicht ist gewerkschaftliche Arbeit nie ein nationales Anliegen, sondern erfordert immer Bewusstsein für internationale Solidarität“. Daraus ergebe sich das Grundverständnis der GPA und seiner Mitglieder, nicht nur internationale Solidarität als leeres Schlagwort zu verändern, sondern sich stets mit Arbeitsbedingungen und gewerkschaftlichen Kämpfen auf globaler Ebene auseinanderzusetzen, sie zu unterstützen und gemeinsam an den politischen Rahmenbedingungen zu arbeiten.
Auch Heinz Fischer, österreichischer Bundespräsident von 2004-2016 begrüßte die Teilnehmenden per Videogrußbotschaft und betonte, dass man trotz der aktuellen Problematiken und Herausforderungen der EU wie der Coronapandemie, des Kriegs in der Ukraine und der Klimakrise die globale Dimension und die Sorgen anderer Regionen nicht vergessen dürfe. „Dieses Projekt, das heute gestartet wird, wird einen kleinen, aber wichtigen Teil dazu und zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele beitragen“, so der Bundespräsident a.D. Er hoffe, dass sich möglichst viele Menschen in Österreich und dem südlichen Afrika diesem Projekt anschließen werden.
Anschließend führten Walter Sauer und Helena Hornung vom Vorstand der SADOCC in die Intention und das Konzept des Projekts ein. Sauer schilderte, wie ein Artikel in der österreichischen Tagespresse vom April 2021, in dem das Weinland Südafrika beworben wurde, den Anstoß zu dem Projekt. In dem einseitigen Artikel wurden ausschließlich luxuriöse Wohlfühlfarmen präsentiert, es kamen jedoch keinerlei Arbeitende und schwarze Südafrikaner:innen zu Wort. Und das hat Prinzip, so der Professor für Globalgeschichte: „In den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung gibt es in der Regel nur zwei Afrikabilder: entweder Naturparadiese oder das komplettes Chaos und Armut.“ Ziel des Projekts ist es deshalb, die Perspektiven, Geschichten und Gesichter von Arbeitenden und Aktivist:innen zu zeigen, wie sie tagtäglich ihr Leben und ihre Gesellschaft gestalten.
Ungleiche Partner: Boniface Mabanza zu afrikanisch-europäischen Beziehungen
Den inhaltlichen Auftakt der Konferenz machte Boniface Mabanza, Leiter der Werkstatt Ökonomie der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika in Heidelberg. In seiner Keynote zeigte er auf, wie die heutigen Beziehungen zwischen Afrika und Europa historisch und kolonial geprägt sind und wie diese Strukturen aufrechterhalten werden. Das zeigt sich beispielsweise in den asymmetrischen Handelsbeziehungen der Kontinente: 70% der europäischen Exporte nach Afrika sind Industriegüter, 66% der afrikanischen Exporte sind hingegen unverarbeitete Rohstoffe und landwirtschaftliche Güter. Die EU verfolge mit Handelsabkommen wie den Economic Partnership Agreements weiterhin seine hegemonialen Interessen auf dem afrikanischen Kontinent, so der Handelsexperte aus der Demokratischen Republik Kongo. Südafrika ist der größte der Handelspartner der EU im südlichen Afrika. Südafrika ist außerdem der weltweit größte Hersteller von Platin, einem Edelmetall, dass sich unter anderem in Smartphones, Medikamenten oder Katalysatoren befindet. Während in europäischen Chemiekonzernen Mitarbeiter:innen für die Weiterverarbeitung von Platin hohe Löhne und soziale Absicherung genießen, haben südafrikanische Bergbauarbeiter mit Tuberkulose, verschmutztem Grundwasser und Hungerlöhnen zu kämpfen.
Miriam Baghdady: Ein Lieferkettengesetz mit rechtlichen Konsequenzen
Laut Globalem Rechtsindex des Internationalen Gewerkschaftsbunds (IGB) wurde 2020 in 87% der Länder weltweit das Streikrecht verletzt. Behinderungen von Gewerkschaftsgründungen und Verweigerungen von Redefreiheit nahmen weltweit zu. In 45 Ländern waren Beschäftigte Gewalt ausgesetzt, in 68 Ländern wurden Beschäftigte willkürlich entlassen und inhaftiert.
Eine Verbesserung der Situation wäre mithilfe eines EU-Lieferkettengesetzes möglich, so Miriam Baghdady, Expertin im Volkswirtschaftlichen Referat des Österreichischen Gewerkschaftsbunds. „Die Produktionsstätten innerhalb weltweiter Lieferketten befinden sich meistens im Globalen Süden. Immer wieder werden dort die gleichen Arbeitnehmer:innenrechte verletzt: das Recht auf einen angemessenen Lohn, sichere Arbeitsbedingungen sowie das Recht, eine Gewerkschaft zu gründen, Kollektivvertragsverhandlungen zu führen oder zu streiken“, so Baghdady, „Aber auch in Europa werden zum Beispiel Ernte- und Bauarbeiter:innen regelmäßig ausgebeutet.“
Die Expertin fordert gemeinsam mit einem breiten Bündnis an gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen eine gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen, internationale Menschen- und Arbeitsrechte, sowie Klima- und Umweltstandards entlang ihrer gesamten Lieferketten einzuhalten. Bei Verstößen müsse es zivil- und strafrechtliche Sanktionen geben. Außerdem wäre es notwendig, das Gesetz für alle Unternehmen mit Sitz in Österreich und Unternehmen, die Produkte im Inland in Verkehr bringen, geltend zu machen. Genau das sieht der aktuelle Entwurf eines EU-Lieferkettengesetzes nicht vor. Auch das Einbeziehen von Gewerkschaften und Betriebsräten ist in dem Entwurf für die Expertin nicht ausreichend sichergestellt.
Herbert Jauch zu vereinten Kräften in Namibia
Weltweit formieren jedoch auch Arbeiter:innen, die solchen Rechtsverletzungen ausgesetzt sind, Widerstand. Herbert Jauch, Politikwissenschaftler und Vorsitzender des Economic and Social Justice Trust Namibia, gab per Liveschalte aus Windhoek Einblicke in die Widerstandskräfte Namibias.
Die Kollaboration zwischen den Afrikanischen Eliten und imperialistischen Interessen schaffe die Grundlage für Ungleichheit und das Fortbestehen einer kolonialistischen Weltordnung, so Jauch. „Der Reichtum der Eliten beruht auf der Armut der Bevölkerungsmehrheit.“
Er fordert daher Entwicklungsstrategien, die nicht von der Weltbank ausgehen, sondern von der Bevölkerung. Es braucht alternative Produktionssysteme, die auf lokalen Bedürfnissen basieren und neue internationale Netzwerke, die sich von der neoliberalen Globalisierung entkoppeln. Gute Beispiele für solche Initiativen sind laut Jauch die Gewerkschaftskämpfe von Ramatex in Namibia, von Marikana in Südafrika oder Shoprite im gesamten Südlichen Afrika. Er stellte auch die Kampagne des Trusts für ein nationales Grundeinkommen vor, die in Otjivero beispielhaft gezeigt hat, wie gemeinschaftliche Sicherungssysteme bessere Arbeits- und Lebensbedingungen und -perspektiven schaffen können
Zu niedrige Löhne, fehlende Absicherungen, Menschenrechtsverletzungen – das sind Probleme, denen Arbeiter*innen weltweit tagtäglich begegnen. In der Rohstoffgewinnung, im Weinbau und bei informellen Beschäftigungsformen im Südlichen Afrika sind diese Schwierigkeiten ganz besonders präsent. Diese konnten die Teilnehmenden im Open Space anhand von Fallbeispielen an den spannenden Thementischen noch mehr im Detail mit den Expert:innen Boniface Mabanza, Jakob Krameritsch, Helena Hornung und Walter Sauer erörtern. Anhand dieser Schwerpunktfelder werden auch im künftigen Projekt exemplarisch die globalen Zusammenhänge über transnationale Produktionsnetzwerke, sozio-ökonomische Ungleichheiten und solidarische Alternativen in der Arbeitswelt gemeinsam erarbeitet. In Seminaren, Workshops und Dialoggruppen können sich die Teilnehmenden informieren und direkt mit zivilgesellschaftlichen und gewerkschaftlichen Akteur:innen aus dem Südlichen Afrika austauschen. Mehr Infos dazu hier.
Umrahmt wurde die Konferenz durch Musik von Roben Mlauzi (Mamozi) aus Zimbabwe und Thabiso Serobanyane aus Südafrika.
Impressionen von der Auftaktkonferenz
(Bilder von Elisabeth Mandl und Birgit Reiter)