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Lesezirkel am 29. Januar 2025, 18:30
47. Treffen des SADOCC-Lesezirkels für afrikanische Literatur
am Dienstag, 28. Januar 2025, 18:30 Uhr
Diskussion von Helon Habila (Nigeria/USA):
Travel(l)ers, 2019 / Reisen, 2020
Helon Habila
Helon Ngalabak Habila ist ein nigerianischer Schriftsteller, dessen Werke mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden und der seit 20 Jahren in den USA lebt.
Helon Habila wurde 1967 in Kaltungo im nigerianischen Bundesstaat Gombe in eine christliche Familie der Tangale-Ethnie geboren; die dortige Bevölkerung ist vorwiegend muslimisch und spricht Haussa. Er studierte English Language and Literature an der Universität von Jos und unterrichtete drei Jahre lang am Federal Polytechnic in Bauchi, bevor er 1999 als Journalist nach Lagos übersiedelte, dort als Literaturredakteur arbeitete und nebenbei zu schreiben begann.
Habila gewann im Jahr 2000 einen nationalen Lyrikpreis; im selben Jahr wurde seine Kurzgeschichtensammlung Prison Stories veröffentlicht. Für eine Geschichte aus dieser Sammlung, Love Poems, gewann er 2001 den Caine Prize und reiste zur Preisverleihung das erste Mal ins Ausland. Sein erster Roman, Waiting for an Angel, wurde 2002 in Nigeria veröffentlicht und handelt von einem nigerianischen Schriftsteller, der bei Protesten gegen die Diktatur festgenommen wird und im Gefängnis landet.
2002 zog Habila frisch verheiratet nach England und wurde African Writing Fellow an der University of East Anglia in Norwich. 2005 wurde er von Chinua Achebe eingeladen, der erste Chinua Achebe Fellow am Bard College in New York zu werden, wo er ein Jahr lang schrieb und lehrte, bevor er sich als Professor für Creative Writing an der George Mason University in Fairfax, Virginia, in den USA niederließ.
In seinem zweiten Roman, Measuring Time (2007), geht es um eine Familiengeschichte in einem nigerianischen Dorf über eine Zeitspanne von hundert Jahren, in deren Mittelpunkt ein Zwillings-Brüderpaar steht. Sein dritter Roman, Oil on Water (2010), der sich mit der Umweltverschmutzung im ölreichen nigerianischen Delta befasst, wurde auf Deutsch veröffentlicht (2012) und von unserem Lesezirkel im Juli 2018 diskutiert.
Habila ist Gründungsmitglied des African Writers Trust, einer gemeinnützigen Organisation mit dem Ziel, afrikanische Schriftsteller/innen in der Diaspora und Schriftsteller/innen auf dem afrikanischen Kontinent zusammenzubringen.
Mit seiner Frau und den drei Kindern hat er immer wieder Besuche bei ihren Familien in Nigeria gemacht. 2016 reiste Habila während eines Heimatbesuchs nach Chibok, wo 2014 Boko-Haram-Terroristen 276 Schülerinnen aus einer Mittelschule entführt hatten; diese Recherche unternahm er, um mit seinem 2019 erschienenen Sachbuch The Chibok Girls den dortigen Menschen eine Stimme zu geben.
Der Autor schreibt gelegentlich Rezensionen zu afrikanischen Neuerscheinungen im britischen Guardian. 2024 fungierte er als Curator in Residence beim Internationalen Literaturfestival Berlin.
Von Juli 2013 bis Juni 2014 war Habila DAAD-Stipendiat in Berlin, wo die Handlung seines vierten Romans Travelers (2019) ihren Ausgang nimmt.
Travel(l)ers / Reisende
»Kurz nach seiner Ankunft <in Berlin> starben 366 Menschen, als ein Boot mit Flüchtlingen vor Lampedusa kenterte. Einige, die aus dieser Katastrophe gerettet wurden, traf Habila später in Berlin. Sein Roman Reisen speist sich aus Notizen aus dieser Zeit, Zeugnissen von Überlebenden, denen er versprochen hatte, sie zu veröffentlichen. Über das Dokumentarische reicht dieses Mosaik aus Migranten-Tragödien aber weit hinaus.« Aus der Rezension von Jonathan Fischer, Süddeutsche Zeitung
»Reisen ist mithin ein Text, der belegt, welch enorme Kraft und welche Macht Literatur haben kann, wenn sie gut gedacht und gut gemacht ist und auch noch exzellent in Szene gesetzt wird. Einer der besten Romane zum Thema Flucht und Migration.« Ulrich Noller, WDR
»Der Roman ist in sechs „Bücher“ unterteilt. In „Ein Jahr in Berlin“ trifft ein namenloser nigerianischer Akademiker, der Haupterzähler, auf Demonstranten – die „gegen alles protestieren“ – und insbesondere auf Mark aus Malawi, von dem sich herausstellt, dass er früher eine andere Identität hatte; er ist jetzt „statuslos“ und daher abschiebbar. Er lernt auch einen libyschen Arzt, Manu, kennen, der als Türsteher arbeitet und seine Frau und sein Kind bei einem Bootsunfall verloren hat. Jeden Sonntag sucht Manu am „Checkpoint Charlie“ – so der Titel des zweiten Teils – nach ihnen. Portia, eine junge Studentin aus Sambia, ist die Tochter eines dissidenten Dichters, der in London im Exil lebt. Gemeinsam mit dem Erzähler macht sie sich auf den Weg nach „Basel“ (Titel des dritten Teils), um die Frau zu interviewen, die ihren Bruder geheiratet und dann getötet hat. In „Die Dolmetscher“ erzählt Karim dem Erzähler die Geschichte seiner Flucht durch den Jemen, Syrien und die Türkei und seines Jahres in einem bulgarischen Gefängnis, in dem er versuchte, seine Söhne zu schützen. In „Das Meer“ lebt eine Frau, die ihr Gedächtnis verloren hat, kümmerlich in Süditalien dahin und heiratet erneut – und erst dann kann sie sich an den Mann erinnern, den sie bereits hat. Als der Erzähler mit Portia nach London kommt, treffen sie zufällig auf Juma, einen Asylbewerber, der sich in einer Nachbarwohnung vor den Einwanderungsbehörden versteckt. Sein Aufenthaltsort ist vor kurzem bekannt geworden, und nun stehen zwei Gruppen von Demonstranten vor der Tür – diejenigen, die seine Verhaftung verhindern wollen, und diejenigen, die sie fordern. Juma selbst fastet, auch aus Protest; dies ist die sechste Geschichte, „Hunger“.«
Aus der Rezension von Edward Docx im Guardian, übersetzt von LR-F mit DeepL
Neue Teilnehmende sind uns willkommen. Das hybrid geführte Treffen wird in der SADOCC-Bibliothek stattfinden. Anmeldung erbeten bei Lotte Rieder-Fraunlob, auch für den Link: lotte.rieder@sadocc.at